Wie kann Citizen-Science und ein FabLab im Katastrophenschutz helfen? – Das erfuhren der CDU-Landtagsabgeordnete Thomas Schnelle und CDU-Landtagskandidat Sascha van Beek im Austausch mit Vertretern der Hochschule Rhein-Waal.
Ideenskizze: „Offene Umweltdaten – Citizien-Science-Ansatz am Beispiel Wasserpegel“
Im digitalen Format trafen sich Prof. Dr. Karsten Nebe (Professor für Usability Engineering und Digitale Fertigung), Tobias Poppe (wissenschaftlicher Mitarbeiter), Thomas Schnelle MdL (Sprecher der CDU Fraktion im parlamentarischen Untersuchungsausschuss V Flut) und Sascha van Beek (CDU-Landtagskandidat für Alpen, Kamp-Lintfort, Rheinberg, Sonsbeck, Voerde und Xanten) um sich über eine interessante Idee zu unterhalten, die an der Fakultät für Kommunikation & Umwelt der Hochschule Rhein-Waal entstanden ist. Es geht um die offene Nutzung von Umwelt- und Messdaten, die im Wesentlichen von Privatpersonen, Firmen, Behörden und dem Katastrophenschutz zur Verfügung gestellt werden und in Kombination mit vorhandenen Quellen neue Analysemöglichkeiten bieten. Im ersten Schritt liegt der Fokus darauf -nach den Erlebnissen der Flutkatastrophe in NRW- eine einfache und flächenbreite Messung von Wasserständen zu etablieren.
„Citizen-Science meint, dass grundsätzlich jede Bürgerin oder jeder Bürger Daten aus seinem Umfeld, z.B. aus Teichen, Rückhaltebecken, Bächen, Notüberläufen oder Seen erfasst und der Allgemeinheit zur Verfügung stellt,“ erklärt Tobias Poppe der neben seiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule Rhein-Waal auch seit vielen Jahren bei der Freiwilligen Feuerwehr aktiv ist. „Die vielen gesammelten Daten könnten dann vergleichbar gemacht und analysiert werden. Ich habe selbst schon in Krisenstäben mitgearbeitet, u.a. im letzten Sommer in Erftstadt. Daher weiß ich wie wichtig verlässliche Daten für die Szenarienanalyse, Lagefeststellung und Einsatzplanung sind.
Karsten Nebe ist überzeugt, dass der Citizen-Science-Ansatz einen Beitrag für den Katastrophenschutz leisten kann: „Uns ist klar, dass solche Daten verlässlich sein müssen, insbesondere wenn man daraus z.B. Evakuierungen ableitet. Heute greift man auf ein überschaubares Netz von institutionellen Messsensoren zurück. Wie wäre es, wenn wir zu diesen existierenden Sensoren viele weitere Messwerte erhielten? Je mehr Daten zur Verfügung stehen, umso besser können moderne Verarbeitungsverfahren, z.B. mittels künstliche Intelligenz, zuverlässige Analysen durchführen und ein möglichst flächendeckendes Bild der Lage liefern. Um das zu ermöglichen bedarf es einer Sensortechnik, die jeder nachbauen kann und die dann standardisierte Daten liefert. Jeder Mensch, der z.B. einen Sensor in dem Bächlein hinter dem Haus legt, kann Daten liefern und so bei der Katastrophenvorsorge mitwirken.“
Damit sich jeder einen geeigneten Sensor nachbauen kann, braucht man eine verständliche Bauanleitung. Um einen solchen Sensor als Produkt in die Geschäfte bringen zu können, braucht man ein gutes Produktdesign. Hier können das an der Hochschule Rhein-Waal beheimatete FabLab und das Netzwerk der „Maker“ helfen. Sascha van Beek hat das FabLab am Anfang der Corona-Pandemie in seiner Funktion als Vizepräsident des DRK-Kreisverbandes Niederrhein in der Zusammenarbeit kennengelernt: „Wir brauchten dringend Schutzausrüstung, die von den Mitarbeitern des FabLabs innerhalb weniger Tage unter großartigem ehrenamtlichem Engagement entwickelt und produziert wurden. Dabei wurde mir klar, welche Ressource für den Katastrophenschutz in der Maker-Bewegung schlummert.“
Foto (vlnr): Florian Kurenbach (Mitarbeiter v. Thomas Schnelle), Tobias Poppe, Thomas Schnelle, Sascha van Beek, Karsten Nebe
Karsten Nebe und Sascha van Beek haben bei der Analyse der Zusammenarbeit zwischen FabLab und DRK-Kreisverband überlegt welche weiteren Projekte und Ideen sich realisieren lassen. „Unser Treffen fand unmittelbar nach der Flutkatastrophe im Sommer statt. Ich hatte schon immer die Idee einfache und günstige Sensoren zu entwickeln, in erster Linie aber für die Wasserqualität eines Aufstellpools im Garten. Mit Sascha habe ich darüber gesprochen das Ganze für den Katastrophenschutz weiterzudenken. Dann kam Tobias Poppe in mein Team, der die richtigen Ideen und Kompetenzen mitbringt, um das ganze tatsächlich umzusetzen,“ sagt Karsten Nebe.
Im FabLab der Hochschule Rhein-Waal finden sich alle Voraussetzungen, um eine kostengünstige Sensoreinheit und Basisstationen für ein flächendeckendes Wasserpegelmessnetzwerk zu entwickeln. „Im FabLab gibt es verschiedenste Möglichkeiten für die Elektronik- und Softwareentwicklung. Prototypen lassen sich hier schnell realisieren.“ erklärt der Mechatronikingenieur Tobias Poppe. FabLab Leiter Karsten Nebe erklärt einen weiteren wichtigen Ansatz des FabLabs: „Wir arbeiten in der Regel Open Source bei Hard- und Softwareentwicklungen. Das bedeutet, das alles was wir bei uns erfinden auch der Allgemeinheit zur Verfügung steht. Somit kann es jeder nachbauen und mit uns weiterentwickeln. So schaffen wir nicht nur weltweit einen Mehrwert, sondern können gleichzeitig auch auf ein weltweites Netzwerk zurückgreifen. Das bringt enorme Geschwindigkeit in Entwicklung und Qualität.“
Die beiden Wissenschaftler der Hochschule Rhein-Waal wissen, dass es schon weitere bestehende Projekte zur Pegelmessung gibt, die in eine ähnliche Richtung gehen. „Wir sehen bei unserem System aber den Vorteil im modularen Aufbau, in der einfachen Installation, der kostengünstigen Umsetzung und eben im Open Source sowie Open Data Ansatz. Wenn unser System einmal installiert ist, läuft es zudem autark und wartungsarm.“ erklärt Tobias Poppe. Das angedachte System der Hochschule Rhein-Waal funktioniert mit verschiedenen Stromversorgungen (Netz, Photovoltaik, Akku), alternativen Datenanbindungen (LoRaWan / LTE / WLAN / Satellit) und könnte mit diverser weiterer Sensortechnik (Wasserdruck, Temperatur, Trübung) erweitert werden.
Der Landtagsabgeordnete Thomas Schnelle aus Heinsberg ist beeindruckt von den Ideen und Möglichkeiten, die an der Hochschule Rhein-Waal existieren: „Ich danke Sascha van Beek, dass er mich auf diesen interessanten Ansatz aus seinem Wahlkreis hingewiesen und den Austausch initiiert hat.“ Als Sprecher der CDU im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss V zur Hochwasserkatastrophe in Nordrhein-Westfalen beschäftigt sich Thomas Schnelle aktuell sehr intensiv mit den Folgen der Flutkatastrophe und welche Erkenntnisse man für zukünftige Katastrophen ziehen kann: „Wir haben bereits viele existierende Messstellen u.a. beim Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW. Gerade an den kleineren Flüssen und Bächen brauchen wir hier aber viel mehr. Aktuell hat unsere Umweltministerin Ursula Heinen-Esser einen Arbeitsplan zum Hochwasserschutz vorgestellt. Der erste Punkt im 10-Punkte-Plan ist die Einführung von Hochwasservorhersagesystemen für so viele Gewässer wie möglich. Die Idee der Hochschule Rhein-Waal ist da sicherlich ein guter Ansatz, auf den ich das Ministerium hinweisen werde.“
Lernen aus dem Hochwasser – 10-Punkte Arbeitsplan Hochwasserschutz in Zeiten des Klimawandels des Ministeriums Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen:
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